Essay für die Rheinische Post vom 06.11.22
„Früher war alles besser,“das ist der übliche Spruch von Senioren,wenn sie über das Leben mit seinen unabänderlichen Folgen sinnieren und sich an ihre guten Zeiten erinnern.Meistens vergessen sie bei diesem so dahingesagten Resumee jedoch,dass sie wesentlich jünger waren,“voll im Saft“ standen und viele Dinge bewegen konnten,die sie erfolgreich machten.
Sie konnten sich mit gutem Gewissen den Freuden des Lebens hingeben und erlebten im Laufe der Jahre neben einigen unvermeidbaren Enttäuschungen viele Highlights,,zum Beispiel schöne Urlaube,lernten interessante Menschen kennen,machten spannende Reisen in ferne Länder und hatten insgesamt viele Erfolgserlebnisse.Körperlich lotete man seine Grenzen aus,das Liebesleben stand in voller Blüte,man konnte mit seinem Testosteron grosszügig umgehen
und einen hedonistischen Lebensstil pflegen.
Dann schlittert man ziemlich unbemerkt in einen Lebensabschnitt,in dem die Hektik langsam schwindet und dem Bedürfnis zu geniessen Platz macht.Für mich persönlich bedeutete das,
dass ich mich Dingen zuwandte,die nicht aufregend oder gar spektakulär waren,sondern
mir Freude und Erbauung brachten,ein Liebhaber alter Autos würde sagen,ich habe die Drehzahlen reduziert und die vorübergleitende Landschaft in ihrer Farbenpracht genossen,
sowie das bullernde Geräusch meines alten Porsche als Ohrenschmaus betrachtet.
Die Lebensbedingungen in dieser Phase meines Daseins waren uneingeschränkt gut.Deutschland befand sich in der höchsten Phase seiner Wirtschaftsleistung,Wohlstand war auf allen Gebieten angesagt,die Früchte des Kapitalismus konnten eingefahren werden.Seit langem gehegte Träume konnte man für sich realisieren,ein Museumsbesuch für den man,als man noch im Arbeitsprozess stand, schlicht weg keine Zeit oder Musse hatte,konnte problemlos einen ganzen Tag in Anspruch nehmen, alte Studienfreunde konnte man in ganz Deutschland besuchen und stellte so nebenbei fest,wie abwechslungsreich und vielfältig die Landschaften unseres Heimatlandes waren. ins- gesamt ein Leben,welches die Amerikaner als „life at it‘s fullest“bezeichnen würden.
Dieses ganze Spektrum des Erlebens mit all seinen „Hochs“ und „Tiefs“formt natürlich den Menschen und macht ihn letztlich zu dem mürrischen alten Mann oder dem zufriedenen, älteren Herrn,der dem Schicksal für seine ihm erwiesene Gunst täglich dankbar ist.In Wahrheit kann man eigentlich nur Dankbarkeit empfinden,wenn man bedenkt,eine lange Zeitstrecke ohne Krieg
bei steigendem Wohlstand bei voller Gesundheit erlebt zuhaben.Es war eine nahezu sorgenfreie Zeit mit ständigem wirtschaftlichem Aufschwung und vielfältigen Möglichkeiten,man könnte sagen:“ein Leben bei besten Rahmenbedingungen“
Diese Zeiten, dafür gibt es untrügliche Anzeichen,neigen sich dem Ende zu.Der Wohlstand wurde durch einige massive Fehlentscheidungen bei überlebenswichtigen politischen Fragen der letzten Jahrzehnte verfrühstückt.Insbesondere das naive Vertrauen unserem Geschäftspartner Russland gegenüber führt nun zu Erpressung,das gleiche Vorgehen ist nun von den Chinesen zu erwarten, in deren wirtschaftliche Abhängigkeit wir uns ohne Not aus reiner Gier begeben haben.Der lapidare Spruch „Gier frisst Hirn“ ist eben doch nicht so dumm,wie er sich anhört.Wir haben unserer politischen Führung ,in der Hoffnung,es handele sich um vorausdenkende,taktisch klug handelnde vor allem lebenserfahrene Elitemenschen,blind vertraut und stehen nun vor einem Desaster.Wir müssen feststellen ,dass die klaren Ansagen der russischen Regierung,einen regel- rechten Feldzug gegen die westlichen Demokratien zu führen und widerrechtliche Eroberungs- feldzüge,wie z,B.der Angriff auf die Ukraine nun in die Tat umgesetzt werden
Mit absoluter Sicherheit wird der mit allen Mitteln die Weltherrschaft anstrebende chinesische Despot Chi Ping seine seit Jahren systematisch und weltweit aufgebauten wirtschaftlichen Aktivitäten,die zu massiven Abhängigkeiten vieler Länder geführt haben und sein Eindringen in die Infrastrukturen vieler Länder nicht dazu nutzten, friedlichen Handel mit den wirtschaft- Lich abhängigen Nationen führen.Auch er hat sein rigoroses Vorgehen vor allem auch im Falle Taiwan aller Welt verkündet.
Uns ist es bereits kaum noch möglich ,dem Würgegriff dieser übermächtigen Krake China zu entrinnen.Wie konnte es dazu kommen.Diese unbegreifliche Arglosigkeit im Verein mit der genannten Gier und unverständlicher Naivität,getragen von einer Aura der materiellen
Sorglosigkeit,die uns umgab,wurde noch ergänzt durch das unbedingte Vertrauen in die politische Führung,allen voran in Frau Merkel,der man immer nachsagte dass sie über politischen Instinkt verfüge und als Naturwissenschaftlerin stets die Dinge vom Ende her denke. ( offen bar ein Ende mit Schrecken)
Frau Merkel und Herr Gabriel führten nach der feierlichen Eröffnung der Seidenstrasse im Jahr 2021 ihren wirtschaftsfreundlichen Kurs mit China fort und kuschelten fortan mit den schlimmsten Diktaturen.
Denkwürdig ist das Foto,welches Herrn Putin,Frau Merkel und Herrn Gabriel bei der Fertigstellung der rein „privatwirtschaftlichen Unternehmung Nordstream 2“ in froh gelaunter Runde zeigt.Der danach-folgende Verkauf des Gazprom Terminals an Russland durch Herrn Gabriel war dann der Gipfel einer total verfehlten Aussenpolitik nach dem Motto“Handel durch Wandel“ die zeigt,dass politische Bildung und Erfahrung keineswegs vor Naivität und Instinktlosigkeit schützt.
Wenn man all diese politischen Fehlentscheidungen in der Bundesrepublik in den letzten 20 Jahren berücksichtigt,die dem bis dahin gesunden Exportweltmeister mit Sicherheit den wohlverdienten Wohlstand kosten wird, so erscheint der abgegriffene Rentnerspruch „Früher war alles besser“ durchaus berechtigt .Nicht nur die verspielte,sorgenfreie Zukunft,nein auch die Riesensummen,die zur Zeit nötig sind,um zu retten,was zu retten ist,werden den nachfolgenden Generationen auferlegt.Die im Wohlstand aufgewachsene Generation wird sich schwer tun,diese Immense Schuldensumme zu schultern und wird den Verursachern eindeutige Vorwürfe nicht ersparen.
Weiterhin ist der seit langem erkennbare Verlust unserer Werte,einst eine tragende Säule unserer Gesellschaft, zu beklagen.Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren,dass es sich in allen Belangen des Lebens ausschliesslich um Geld dreht,ethische oder moralische Werte wie Ehrlichkeit Verlässlichkeit,Vertrauen,Glaubwürdigkeit sind scheinbar Errungenschaften aus dem letzten Jahrhundert,Fake news und Verschwörungstheorien geistern durch die Medien. Bildungs-, ferne,oft illegale Migranten aus fremden Kulturkreisen leisten dabei tatkräftige Unterstützung.
Sie pflegen ihren Lebensstil und ihre Kultur, an der abendländisch,christlich geprägten Kultur und an Integration sind sie oft nicht sonderlich interessiert.
Eine weitere Stütze des lapidaren Ausspruchs „Früher war alles Besser“der älteren Menschen oft leicht von den Lippen kommt,ist die Tatsache,dass der Wandel von der Industrie zur IT Gesell- schaft und der damit verbundenen Digitalisierung,älteren Menschen viele Probleme im täglichen Leben bereitet.Ein älterer IT unkundiger Bürger fühlt sich oft nicht in der Lage,ein Flugticket zu bestellen,notwendige bürokratische Vorgänge online zu tätigen oder Waren im Internet zu ordern. Wir leben in stark zunehmendem Masse in einer Welt der „digital natives“.und fühlen uns als Aussenseiter.
Transformationen einer Gesellschaft hat es natürlich immer schon gegeben,doch das Tempo des von unserem Bundeskanzler ausgerufenen „Zeitenwandels“ist für alte Menschen atemberaubend hoch.Wohl dem ,der einen Enkel hat,der bei Schwierigkeiten mit den neuen Kommunikations- geräten hilfreich zur Seite steht.
Insgesamt ist die Geschwindigkeit,mit der sich unsere Gesellschaft auf nahezu allen Gebieten verändert für den älteren Mitbürger zu hoch,die Globalisierung geht ihm zu schnell,sein direktes Umfeld erfordert auf Grund der rapiden Veränderung schnelle Anpassung,zu der ein älterer Mensch nicht mehr in der Lage ist.“Tempora mutantur“war ein geflügeltes Wort von Ovid der auch hinzufügte“ nos et mutamur in illis“ das bedeutet:“die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen“
Diese Veränderung mitzumachen,ist jedoch der ältere Mensch meist nicht in der Lage und auch , nicht willens,da er in der ständigen Beschleunigung keine Vorteile oder eine Verbesserung der Lebensqualität aus machen kann,so kann ich zur heutigen Zeit jeden älteren Menschen verstehen, der mit voller Berechtigung verkündet „Früher war alles besser“
Nun nützt einem diese Feststellung zunächst einmal nichts und hört sich eher nach Resignation an ,der ältere Mensch muss seinen Lebensabend unter diesen verschlechterten Bedingungen fristen,will er nicht in Depressionen verfallen,so sollte er sich tunlichst von den negativen, Berichterstattungen in den Medien fernhalten.Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren,dass die Nachrichtensender weiterhin nach der Maxime:“ Bad news are good news“stündlich über Katastrophen aus der ganzen Welt berichten..
Da man als älterer Bürger,der volkswirtschaftlich nur noch als Verbraucher interessant ist,und dessen Erfahrung ohnehin nicht mehr gefragt ist und keinerlei Einfluss auf den Lauf der Dinge hat,sollte man sich auf sein „ureigenes Biotop“ zurückziehen und die wenigen angenehmen
Dinge im Leben geniessen.Man sollte sich mit Menschen umgeben,die einem guttun und sich weitgehend von anderen fernhalten,die die eigene Psyche belasten.Das Elend dieser Welt sollte nicht in den sorgsam angelegten „jardin privee“vordringen.“ Rette sich wer kann“gilt für alle älteren Menschen,die mit der Welt, wie sie sich momentan darstellt,nicht mehr zurechtkommen. Eine Welt,die uns Überbevölkerung,zunehmende Hungersnöte,drohende Atomkriege und die unvermeidliche Klimakatastrophe,terrorisiert durch imperialistische Diktatoren zu bieten hat,
ist nicht mehr „unsere Welt“
Es gibt jedoch noch erfreuliche,interessante und erbauliche Dinge im Leben denen wir älteren uns widmen können und das ist,so glaube ich das Gebot der Stunde
Autor: Dr.Rolf Brinkmann